Die Mitglieder der neuapostolischen Kirchengemeinden Weil der Stadt, Merklingen, Münklingen und Neuhengstett hatten sich etwas einfallen lassen.
Sie wollten gemeinsam mit Nachbarn, Freunden und Gästen einen besonderen Gottesdienst feiern. Im Vorfeld hatte es viele Vorbereitungen gegeben. Gemeinsame Übungsstunden der gemischten Chöre und Orchester, die Stadthalle in Weil der Stadt aufstuhlen und dem Anlass entsprechend dekorieren. Im Vorfeld wurden Einladungen verschickt, was nicht vergeblich war, wie sich am Sonntag herausstellte, denn auch viele Nicht-Kirchenmitglieder sorgten mit für eine fast volle Halle. Weil der Stadts Bürgermeister, Thilo Schreiber, und einige Gemeinderatsmitglieder waren auch erschienen, als der Gottesdienst unter Leitung von Bezirksvorsteher Bernhard Kienzle begann.
„Weise mir Herr, deinen Weg, dass ich wandle in deiner Wahrheit; erhalte mein Herz bei dem einen, dass ich deinen Namen fürchte. (Ps 86,11)
Dieser Wunsch des Königs David, überliefert im Alten Testament, bestimmte den Inhalt des Gottesdienstes. Ein gemeinsamer in größerer Gemeinschaft sollte es werden und wurde es, wie B. Kienzle zu Beginn feststellte. Er freute sich auch darüber, „was sich aus so einer Halle alles gestalten lässt. Etwas Harmonisches, so dass jeder etwas mitnehmen kann.“ Die Feiern aus Anlass des 150-jährigen Kirchenjubiläums, die 2013 weltweit gefeiert werden, stehen unter dem Motto „Ein Glaube – ein Ziel“. Dankbar können wir heute auf die zurückblicken, die vor uns gearbeitet haben. Dankbar dürfen wir heute sein, dass wir in unserer Region in Friedenszeiten unseres christlichen Glaubens leben können. Es war nicht immer so, sagte zu Beginn der Bezirksälteste.
Was macht einen Gottesdienst aus – die Worte, die vom Altar kommen, und Gnade, die in der Feier des heiligen Abendmahls liegt. Beides zusammen gibt Kraft und Orientierung. Und die braucht jeder, der aus dem Lebensweg einen Glaubensweg machen will. Weise mir, Herr, deinen Weg…Jeder in seinem Christsein hat für sich ein Glaubensziel definiert: In den Himmel zu kommen. Zum ewigen Heil in Gemeinschaft mit Gott und seinem Sohn. Darin den Sinn des Lebens zu sehen. Dafür eine Weisung erbitten, ist nicht Ausdruck von Schwäche, sondern von Klugheit.
„Herr“ – wer ist das, wem sage ich das? „…dem, der den Himmel lenkt.“, griff B. Kienzle den Text des zu Beginn gemeinsam gesungenen Lieds auf (Nr. 146, neuap. Gb, Text Paul Gerhardt, 1607 – 1676). Und von dem es im Lied weiter heißt: „dem musst du trauen,…“ Wie einem Kompass, fuhr der Bezirksleiter fort, auf das Titelbild des Informationsflyers zum Gottesdienst eingehend. Der Mensch kommt oft auf dunkle, steinige und dornige Wege. Dann fragt er sich schon, ob das Gottes Weg ist. Wenn er in dieser Lage das Vertrauen aufkündigt – dann hört er Gottes Wort nicht mehr und verschmäht dessen Gnade. Vor einer Weggabelung, auch die zeigt das Bild auf dem Flyer, sich entscheiden – hier Jesus, der sagte, ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben…oder der Unglaube, die Haken und Dornen des Zweifels. Und noch einmal wurde Paul Gerhardt mit dem Text des Eingangsliedes zitiert: „…und wird sich so verhalten, dass du dich wundern wirst,…“. Im Himmel, in der ewigen Gemeinschaft mit Gott angekommen, wird mancher Trauerweg in anderem Licht erscheinen, so, dass ich mich wundere und Gott dafür loben kann. „Ich wünsche uns allen, dass wir nicht an schwierigen Lebenslagen zerbrechen, gerade dann den Kompass zur Hand haben und nicht das Ziel aus den Augen verlieren!“, so der Bezirksvorsteher zum Schluss, bevor wieder Paul Gerhardt „zu Wort kam“: „…wenn er, wie ihm gebühret, mit wunderbarem Rat die Sach` hinausgeführet, die dich bekümmert hat.“
Ralph Raußmüller, Gemeindevorsteher von Merklingen, ging in seinem Beitrag noch einmal auf das Bild vom Kompass ein. Er ist vergleichbar mit dem Glauben, den wir als Christen haben. Es wäre fatal, diese einzige feste Größe anzuzweifeln. Jesus seinerzeit ging den Emmaus-Jüngern nach. Er begleitete sie, weil er spürte, dass sie ihn brauchten. Wir heute werden begleitet durch Seelsorger, durch Mitchristen. „Vielleicht darfst du auch mal Kompass sein und einem anderen helfen. Lasst uns sensibler sein, damit das Evangelium, die Frohe Botschaft sich heute auswirken können!“
Bernd Rinderknecht, seit kurzem stellvertretender Leiter des Bezirks Sindelfingen, versprach: „Gott hat auch für dich einen Weg. Auch, wenn du manchmal nicht einmal den ersten Schritt zu erkennen vermagst. Aber später, wenn man mal innehält, sieht man, da habe ich eine führende Hand gehabt. Und Gott ist auch heute da und wird es morgen sein.“ Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes, so ist in der Bibel zu lesen. Orientieren wir uns daran, meiden wir das Böse und tun wir anderen Gutes. Und noch etwas lag dem Bezirksevangelisten am Herzen, sicherlich auch, weil er von diesem Alter noch nicht ganz weit weg ist: Wenn in der Jugend scheinbar oder sogar anscheinend alles ganz glatt läuft, vergiss auch dann nicht, nach dem Weg Gottes zu fragen, um nie die Verbindung zu verlieren.
Mit dem Bezirksältesten kam noch einmal Paul Gerhardt zur Sprache: „…lässt Gott sich gar nichts nehmen, es muss erbeten sein.“ Damit leitete B. Kienzle zur Sündenvergebung und der Feier des heiligen Abendmahls über. Dazu waren die Vorsonntags- und Sonntagsschulkinder, die gleichzeitig zum Gottesdienst in Nebenräumen Unterricht hatten, mit ihren LehrerInnen in den Saal gekommen.
Ganz brav und ordentlich nahmen sie ihre Plätze ein. Na ja, ein paar schaukelnde Füße zeigten schon, dass sich jugendliches Temperament zum Glück nicht so leicht zügeln lässt. Nach dem Gottesdienst nahm Weil der Stadts Bürgermeister Thilo Schreiber gern die Gelegenheit wahr, Grußworte zu sprechen. Er würdigte das nicht selbstverständliche, überzeugende ehrenamtliche Engagement neuapostolischer Christen. 1923 sei die Gemeinde Münklingen gegründet worden, von der ausgehend nach und nach neuapostolische Kirchen in Weil der Stadt, Merklingen und auch Neuhengstett dazu kamen. Heute arbeiten die Vier gemeindeübergreifend auf vielen Gebieten zusammen: Jugendarbeit, Chöre und Orchester sowie gegenseitige Unterstützung bei der Seelsorgearbeit sind da zu nennen. Der Bürgermeister wünschte sich auch weiterhin eine harmonische Zusammenarbeit zwischen der politischen Gemeinde und den neuapostolischen Kirchengemeinden. Das gelte auch für das gute Verhältnis der verschiedenen Weil der Städter Kirchengemeinden zueinander. T. Schreiber hob die musikalischen Beiträge der neuapostolischen Kirchengemeinden vor Ort zu den Gedenkfeiern anlässlich des Volkstrauertags sowie die Mitarbeit beim Kinderferienprogramm hervor. Und mit ganz leeren Händen kam er auch nicht: Als Vorsitzender der Emil-Haag-Stiftung versprach er daraus finanzielle Zuwendungen, entsprechend der Widmung des Spenders, für Seniorennachmittage und -weihnachtsfeiern. „Alles Gute für Ihre Zukunft, Gesundheit und Gottes Segen!“ schloss das Stadtoberhaupt. Dafür war ihm der Beifall sicher.
„Großer Gott, wir loben dich…“ (Neuap. Gb. Nr. 255, Text nach dem „Te Deum“ des 14. Jh. von Ignaz Franz) bildete den gemeinsamen, beeindruckenden musikalischen Abschluss des Gottesdienstes durch Orchester und gemischten Chor.
Während es draußen warm und gewaltig regnete, war es drinnen ausgesprochen gemütlich beim kleinen Stehimbiss mit großer Beteiligung im Foyer der Halle, in der Ausstellungstafeln die vier Kirchengemeinden darstellten und u. a. über deren Chronik informierten.